Organisation

Organisationsentwicklung versucht, eine Organisation so aufzustellen, dass sie für die Bewältigung der ihr innewohnenden Widersprüche und für die ihr von außen begegnenden Herausforderungen, möglichst gut gerüstet ist. Ursprünglich wurde dafür nach den besten fixen Organisationsmodellen im Sinne einer Strukturierung der Organisation gesucht, heute setzt man zunehmend auf prozesshafte Organisationsansätze, durch die sich die Organisation mit den in ihr auflaufenden Erfahrungen permanent selbst verbessern soll (sog. lernende Organisation).

 

Organisationsentwicklung steht also – in Abgrenzung zum Change – für die längerfristige Perspektive, für die Stabilität der Organisationen, die gerade heute unter dem permanenten Change-Zickzack droht verloren zu gehen. Klassische Organisationsentwicklung ist aber selbst mit dem Konzept der lernenden Organisation heute noch weitgehend auf die Etablierung und ständige Verbesserung von geschlossenen Prozessstrukturen gerichtet, die den Geboten der Kontrolle, Steuerung und Zielerreichung gehorchen. Diese Versteifungsversuche erreichen lediglich kurzfristige statische Stabilitätszustände, die angesichts der volatilen Realität notwendigerweise in eine organisationelle Instabilität mündet, die dann wiederum kaum durch Flexibilisierung, sondern eher durch eine Logik der Dauerkorrektur (Change) gegenbalanciert wird.

 

Dagegen setzt die anliegenorientierte Organisationsentwicklung auf eine grundsätzliche Flexibilisierung und eine Ausrichtung entlang des Organisationsanliegen. Das führt – soweit dafür die personellen und strukturellen Voraussetzungen geschaffen sind – zu einer dynamischen Stabilität der Organisation, bei der die einzelnen Handlungsschritte durch eine „Stimmigkeitsprüfung“ immer wieder neu gefunden werden. Dabei kann auch eine anliegenorientierte Organisationsentwicklung selbstverständlich die Widersprüche und Dynamiken der Organisation nicht komplett auflösen. Aber sie kann ein Instrumentarium anbieten, mit dem sich die Organisation immer wieder neu kalibrieren kann, egal welcher neue Einfluss, welche neue Herausforderung sich ihr stellt.

 

Beispiel: Eine Konzernabteilung, die hochkomplexe internationale Personalkonstellationen bearbeitete, konnte ihre Aufgaben nicht mehr bewältigen, weil es ihr nicht gelang, diese in den üblicherweise verwendeten Checklisten und Prozessen abzubilden. Erst als klar wurde, dass die Anliegenorientierung zur Komplexität dieser Konstellationen besser passt, kam der erhoffte Leistungsdurchbruch. Das Anliegen, als „Spinne im Netz“ mit allen Beteiligten individuelle Lösungen zu generieren und nur ausnahmsweise in geschlosseneren Prozessen Checklisten zu verwenden, wurde für jeden klar und handlungsleitend und die interne Arbeitsorganisation immer wieder an diesem Anliegen nachkalibriert. Der Effekt: Die Mitarbeiterinnen arbeiteten immer selbständiger, die Vorgesetzte wurde deutlich entlastet und musste viel weniger operative Einzelfallentscheidungen treffen. Die Zusammenarbeit mit den anderen Abteilungen verbesserte sich stark und der Krankheitsstand sank kontinuierlich.

 

Anliegenorientierung verzichtet damit möglicherweise auf kurzfristige Effizienzgewinne, die geschlossene Prozessformen ausnutzen können, solange für diese alle Parameter optimal gehalten werden. Aber anliegenorientierte Organisationsentwicklung ist auch nicht ideologisch, sie hat keine Probleme damit, Effizienzgewinne mitzunehmen, die geschlossene Prozessstrecken voraussetzen. Aber es tritt eine Umkehr der Prioritäten ein. Nicht soviel Geschlossenheit wie gerade irgendwie geht und dann permanenter Change, sondern im Ausgangspunkt eine Anliegenorientierung mit der dafür notwendigen Flexibilisierung verbunden mit geschlossenen Wegstrecken, so lange es ohne „Kollateralschäden“ sinnvoll ist.