Resonanz als Freiheit in Verbundenheit

Resonanz bezeichnet im Zusammenhang unseres Handelns den Umstand, dass jede Handlung in Wechselwirkung mit anderen Kräften im Handlungskontext steht. Wir sind, wenn wir handeln, nicht isoliert, sondern verbunden mit anderen Kräften, die untereinander und mit der Handlung rückkoppeln. Deshalb ist es hilfreich, diesen Kontext als ein Feld von Kräften zu betrachten und deren Wechselwirkung als Resonanz. Die wissenschaftlichen Grundlagen dazu sind in dem Standardwerk des deutschen Soziologen Hartmut Rosa „Resonanz – Ein Soziologie der Weltbeziehung“ ausführlich aufgearbeitet.

 

Eigentümlicherweise tun wir uns meist schwer, in Resonanzen zu denken, sondern sind gewohnt, die Welt linear-kausal zu betrachten, besonders seit die schlüssige Rationalität der Moderne die religiösen Deutungsmuster des Mittelalters abgelöst haben. Resonanz ist aber kein Weg zurück zur Magie, sondern – wie Rosa aufzeigt – die Vollendung des Versprechens der Aufklärung, indem sie aus der linear-kausalen Engführung herausführt in eine volle Beachtung der realen Komplexität, etwa einer Wissensökonomie und einer VUCA-Welt.

 

Die strukturelle Ordnung in Resonanzfeldern bezeichnen wir – physikalisch wie sozial – als Harmonie, unabhängig davon ob das Verhältnis der wechselwirkenden Kräfte relativ spannungsreich (dissonant) oder entspannt (konsonant) ist. Für physikalische Harmonie haben wir mit dem Gehörsinn übrigens von Geburt an einen viel exakteren Sinn als es unser Sehsinn jemals erreichen kann. Und auch im sozialen Leben ist es für uns viel leichter zu wissen, ob etwas für uns stimmig oder (nach welchen Maßstäben auch immer) richtig ist.

 

Das Anliegen ist die Grundkraft, an der sich das Resonanzfeld ausrichtet. Deshalb kann es als Kraft und Orientierung zugleich dienen. Dabei ist das Anliegen selbst Resultat einer Wechselwirkung. Denn das Anliegen ist nichts, was der Handelnde einfach willentlich oder gar normativ setzt. Sondern etwas, was er aus der Wahrnehmung des Feldes gewinnt (das Anliegen in Phase 1 des WisdomThinking®-Prozesses) und dann willentlich (in Phase 2) als sein Anliegen ergreift. Dieser Willensakt ist wiederum nicht von irgendwelchen Normen abgeleitet, sondern Ergebnis seiner Stimmigkeitswahrnehmung. Nur wenn es für den Handelnden stimmig ist, wird er ein Anliegen zu seinem Anliegen erheben.

 

Resonanz kann aber nur entstehen, wenn die Kräfte im Feld sowohl frei als auch verbunden sind. Ohne Verbundenheit sind die Kräfte nicht in einem Feld, sondern in getrennten Sphären. Und ohne Freiheit kann eine Kraft keine Feldwirkung (Impuls) haben, auf die die anderen Feldkräfte reagieren könnten. Eine Wechselwirkung kann in beiden Fällen nicht stattfinden.

 

Philosophisch gesprochen ist Resonanz also die Bedingung einer Freiheit in Verbundenheit. D.h. einer Freiheit jedes Handelnden, unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen seiner Handlung mit ihrem Resonanzfeld (und dessen ebenso frei-verbundenen Kräften) zu handeln. Soweit man daraus eine Ethik herleiten will, ist es eben nicht die Rückbindung einer (negativen) Freiheit durch eine Verantwortung oder die inhaltlich-normative Ausgestaltung einer (positiven) Freiheit, sondern die prozesshafte Bestimmung einer (harmonischen) Freiheit im Wege der Resonanz.